KTM990 Adventure ABS

Technische Daten

95Nm (6500rpm); 98PS (72kW bei 8500rpm)

Hubraum: 999cm3

2-Zylinder 4-Takt, V 75°

6-Gang-Getriebe

E-Starter für den Einspritzmotor mit Flüssigkühlung

2-Kanal ABS von Brembo

Bodenfreiheit unbelastet: 261mm

Tankinhalt: etwa 22Liter (wobei inzwischen von KTm auf max. 19 Liter brauchbarer Kapazität korrigiert wurde, was sich wiederum in etwa mit meinen Erfahrung deckt)

Beschreibung

Nachdem Honda seine lebende Legende "Africa Twin" zu einer tatsächlichen Legende gemacht hat und sie aus dem Sortiment warf, bzw. nicht mehr produziert und durch die brave Strassenversion Varadero ersetzt hat, bleibt neben BMW kaum eine andere offroadtaugliche Tourer-Alternative übrig als KTM. Dabei fällt BMW meist wegen deren Preis aus der Alternativenliste. Neuerdings will allerdings auch Yamaha mit seiner Tenere wieder mitspielen, aber die Grosse ist ja noch nicth ausgetestet worden, daher gehe ich hierniocht näher darauf ein. Der Tankrucksack von Touratech für die LC8 passt zur 950er wie auch zur 990er Generation.Doch ist die günstigere Wahl auch die Bessere? Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. Auf jeden Fall haben sich die Mattighofener Ingenieure an der immer deutlicher werdenden Tendenz nach mehr Fahrsicherheit orientiert. Seit der Einführung der 990er ist KTM auch mit einem Bike in der Liste ABS-bietender Motorräder vertreten.

Im Gegensatz zu der sich in einem ähnlichen Preissegment befindlichen Varadero, die oft als Vergleich herhalten muss, kann man dieses Sicherheitsfeature aber ausschalten. Genau dies ist u.a. eine besonders wichtige Funktion, die sich ein Fahrer wünscht, der auch mal sportlich auf einer Kiesstrecke unterwegs ist. Wer bremst schon gerne auf einer Off-Road-Passage mit eingeschaltetem ABS? Auf Kies würde so der Bremsweg weder verkürzt noch die Fahrt sicherer, genau das Gegenteil wäre der Fall. Man könnte zwar zunächst mit einer staubarmen Bremsung brillieren, wäre einen Moment später aber wahrscheinlich bereits über die nächste Kurve hinausgeschossen.

KTM 990 Adventure (Foto H. Peuker)Im Bereich Fahrzeugausrüstung fällt dem Enduristen vor allem eins auf: Die KTM ist mit einem „Plastik“-Bodenblech ausgerüstet. Geplant war dies für das Sanddünnensurfen: Nun fragt sich der gemeine Anwender, wo man dies in Europa denn machen soll. Genau richtig, an ganz weit entfernten Örtchen, wenn überhaupt. Viel besser erscheint daher der Umbau auf einen Alu-Motorenschutz von Touratech, der den Motor beim Off-roaden zuverlässig vor Steinschlag schützt. Ausserdem hat die Schweizer Touratech-Vertretung SK-Motoparts bei meiner Maschine nachträglich auch gleich ein Schloss für die Sicherungen angebracht, welche sich ab Werk in einem offenen Fach auf dem Tank befinden. Der erfahrene Tourer weiss nämlich, dass es hie und da auch mal einen kleinen „Gemeinling“ gibt, der bei einer geparkten Maschine mal schnell an einer Sicherung zieht, um sich abzureagieren. Daher ist dies sicher gut investiertes Geld.

Cockpit mitGPS-Halterung von TouratechEin Koffersystem gibt es ebenfalls. Wir haben uns allerdings nur für den Kofferhalter von KTM entschieden (der übrigens indirekt auch von Touratech stammt) und anstelle von Plastikkoffern, die bei einem Sturz schnell mal brechen, für ein Aluminiumsystem entschieden. Der Sturzbügel muss ebenfalls schon ab Werk mitbestellt werden, ist aber sicherlich sinnvoll, für jene, die auch mal die asphaltierte Strasse verlassen wollen. Er schützt nicht nur vor teuren Ersatzteilrechnungen, sondern macht das ganze Bike etwas breiter und der Fahrer hat so im Fall eines Sturzes etwas mehr Platz und läuft weniger Gefahr eingeklemmt zu werden.

Tankbereich mit TankstaufachDoch nicht nur in diesem Bereich kann die Orangene punkten. Das Fahrwerk lässt eine Fülle an Einstellmöglichkeiten zu, so dass man an seinem Fahrzeug fast alles zwischen Strassenkreuzer- und Rennstreckenabstimmung wählen kann. Andererseits leidet die KTM aber noch an Kinderkrankheiten. Nach nun gut 15`000 km Dauertest musste unsere Kati nun schon dreimal wegen Undichtigkeiten auf Grund von schon im Werk schlecht verlegten Dichtungen am Motorengehäuse „eingeliefert“ werden. Ausserdem muss in Kürze die Bremsleitung zur hinteren Bremse ausgetauscht werden, weil in den Originalteilen durch Vibrationen die Bremsflüssigkeit ausgaste und so mehrfach zum Versagen der Hinterradbremse führte. Doch mit all dem ist bei Neumotorrädern zu rechnen, auch wenn BMW seltener von solchen Fällen betroffen ist.

Tankstaufach mit SicherungenEiner der beliebtesten Vorteile der KTM gegenüber BMW ist, neben dem Preis, das Gewicht. Während die Österreicherin mit etwas mehr als 200 kg Leergewicht selbstbewusst auftritt, kommt die deutsche Konkurrenz mit ihrem Prachtexemplar, der 1200 GS Adventure, selbst nach harter Kur immer noch auf gute 20 Kilo mehr.

LC8!Im Bereich der Leistungsdaten kann sich der orangene Blitz dann nur knapp mit der 1200 GS messen. Trumpft die BMW mit 115Nm (5500rpm) und 100PS (73.5kW bei 7000rpm) auf, so zeigt sich hier der knapp 200cm3 kleinere Motor der KTM mit 95Nm (6500rpm) und 98PS (72kW bei 8500rpm). Beim Verbrauch spart die Kati dann aber trotz kleinerem Motor nicht unbedingt etwas ein gegenüber der Bayerin. Da kommt es schon mal vor, dass man nach 100km gut um die 8 Liter Bleifrei nachfüllen muss. Allerdings hat man dann ordentlich am Gashahn gekurbelt und dies somit schon fast provoziert! Bei sehr anständiger Fahrt in hohen Gängen kann man den Verbrauch dann aber auch schon mal auf 5,5Lt/100km drücken, doch wer will schon immer "brav" fahren?!

KTM ist Adventure pur! Einen kleinen Nachteil muss der KTM-Fan aber in Kauf nehmen. Neben der BMW mit 33 Liter Tankinhalt stottert die KTM durch ihren kleineren 22 Liter-Tank, der meist nicht leergefahren werden kann, schon nach einer viel kleineren Reichweite als die BMW. Doch dieses Manko kann durch das Nachrüsten von z.B. Touratechs Riesentank (45 Liter) ausgefeilt werden, allerdings zu einem stolzen Aufpreis von gut 2000 CHF. Wem auch dies egal ist, der ist ein eingefleischter Fan und für den gibt’s bei allen Nachteilen nur eine Möglichkeit bei der Wahl einer Enduromaschine – KTM!

ABER ACHTUNG:

Nach insgesamt 35`000 km sind bei meiner so wunderbar kurvenfreudigen KTM aber auch Probleme aufgetaucht, welche ich Ihnen, als potentielle KTM-Nutzer auf keinen Fall vorenthalten möchte, denn sie könnten den Motorrad-Kaufentscheid ebenfalls beeinflussen:

Eine KTM ist ein sehr kostspieliges Spielzeug. Ja klar, werden die einen jetzt denken, jedes Motorrad ist teuer.... Aber haben Sie auch die kurzen Serviceintervalle mitgerechnet? Diese sind bei KTM um einiges kürzer als z.B. bei der direkten Konkurrenz BMW. Auch die Garantieleistung ist bei KTM kürzer... und gerade diese hätte man als KTM-Nutzer bzw. Eigentümer dringend nötig! Ausserdem erhält man bei BMW eine doppelt so lange Mobilitätsgarantie wie bei KTM!

Dies sind die Schäden an Sevi's KTM während 2 Jahren (Neufahrzeug ab Kaufdatum):

  • 1x Kupplungsnehemerzylinder defekt bei 30`000 km
  • 1x Kupplungsnehmerzylinder defekt bei 33`000 km (Gemäss inoffiziellen Angaben liegt die durchschnittliche Lebensdauer eines Kupplungsnehmerzylinders bei 15'000km, was hiermit sicherlich auch bewiesen wäre, zumindest bei meiner KTM)
  • Grosse Probleme mit den Bremsen, u.a. mehrmaliges AUSSETZEN DES ABS und der GESAMTEN BREMSEN, was leider erst nach mehreren Monaten und dreimaligen, misslungenen Reparaturversuchen schlussendlich zum kompletten Ersetzen des gesamten Bremssystems und damit zum Glück zur Behebung des Problemes führte
  • Probleme mit der Treibstoffzuleitung zum Motor, welche später leider erneut auftauchten
  • Die Batterie musste innert zwei Jahren zweimal ersetzt werden (sie liegt leider sehr unvorteilhaft vorn unten an der kältesten und nässtesten Stelle des Bikes und ist erst noch schräg eingebaut - etwas unglückliche Planung!)

Dies sind die Schäden an Nick's KTM990, ebenfalls innert knapp 2 Jahren / rund 30'000 km:

  • 1x Kupplungsnehmerzylinder defekt bei 20'000km
  • 1x Kühlwasserpumpe defekt bei 25`000km
  • Mehrmals flatterndes Vorderrad (evtl. verursacht durch Qualitätsmängel des vorgeschriebenen Pneu Pirelli Scorpion)
  • 1x Ölpumpenproblem (flakerndes Lämpchen) mit 2 Wochen Werkstattaufenthalt bei 34'000km
  • 1x Motor- und Getriebeschaden nach 38'000km, möglicher mit Ursprung beim vorangegangenen Problem
  • 3x Batterie ersetzen

Ausserdem hatte ich bei der Wahl meines Mechanikers aus der Region Hinwil einiges Pech, was allerdings weniger mit der Marke als mit dem Service beim Mech zu tun hat und daher nicht auf andere übertragbar ist. Von umso besseren Erfahrungen kann ich jedoch von einem Händler in Frauenfeld berichten!


Fazit


Diese KTM wird in Zukunft wohl oft der Grund sein, warum vermehrt erstaunte Gesichter bei BMW-Fahrern zu sehen sein werden. Einerseits werden die BMW-Treiber durch die schnell an ihnen vorbei donnerden KTM-Ler geschockt, doch spätestens einige Kilometer später kann sich der eine oder andere Gummikuh-Bändiger zurück lehnen und mit süffisantem Lächeln mitanschauen, wie die gerade eben vorbei gesauste Orangene abgeschleppt wird. Ausserdem dürfte sich der BMW-Fahrer noch längere Zeit an seinem Fahrzeug erfreuen, während die KTM nach ca. 70`000km langsam das zeitliche segnen wird (Aussage eines KTM Mechs bei einem ausserplanmässigen, schadenbedingten Werkstattbesuchs).

Wer zu letzt lacht,.... !

Eingefleischte KTM Fans, die nun glauben, sich über diese Zeilen beschweren zu müssen, sei nur soviel gesagt:

  • Ja, alle Services wurden bei KTM Vertragswerkstätten in den vorgegebenen (kurzen) Intervallen ausgeführt;
  • Und ja, dies sind zwei subjektive Erfahrungen, die durchaus keinen Anspruch darauf erheben, repräsentativ zu sein;
  • die Erfahrungen im Umgang mit KTM, resp. deren Generalimporteur für die Schweiz, werden uns in absehbarer Zukunft nicht dazu verleiten, unseren Fuhrpark noch einmal mit einem Fahrzeug dieser Marke zu ergänzen, egal was das zweifellos erstklassige Marketing des Unternehmens verspricht...